Sparmaßnahmen bringen Dresdens Schuldenberater in Bredouille
Dresden - Ob Scheidung, plötzlicher Jobverlust, Unfall oder Krankheit: Der stabile Lebensrahmen kann schnell brechen und der persönliche Schuldenberg in kurzer Zeit derart anwachsen, dass das monatliche Geld auf dem Konto nicht mehr ausreicht, um überhaupt zu leben. In dieser Krise sind kostenlose Schuldner-Beratungen die erste Anlaufstelle.

Denn nur sie dürfen die Privatinsolvenz ausstellen, damit Existenzen retten, Gläubiger beruhigen. Bundesweite Sparmaßnahmen sorgen nun für radikale Kürzungen in der Schuldnerberatung.
Auch Jens Heinrich (59), mit 16 Angestellten in insgesamt sechs AWO-Schuldnerberatungen (Pirna, Heidenau und Dresden), ist direkt betroffen: "Allein in Dresden gibt es 1000 Insolvenzanträge pro Jahr. Sechs Berater wären sinnvoll, um den Berg an Arbeit zu bewältigen, doch aufgrund der Kürzungen sind in Zukunft nur vier möglich."
In der Sächsischen Schweiz seien mehr als drei Berater nötig, es soll nur noch einer übrig bleiben.
Die Konsequenz: Wer ein gepfändetes Konto hat, wird "statt einiger Stunden in Zukunft tagelang auf unsere Hilfe warten müssen", so Heinrich angesichts des berechenbaren Personalmangels bei stetig wachsenden Privatkunden.

"90 Prozent der Leute, die bei uns Hilfe suchen, sind unschuldig an ihrer finanziellen Misere"

Dabei sei es ein Trugschluss, dass Menschen mit einem Schuldenberg, aus dem sie für die nächsten Jahrzehnte ohne Hilfe nicht herauskommen, auch selbst schuld sind. Es seien überwiegend systemische Opfer.
"Hauskauf und Todesfall, Corona und Kleingewerbe, Krankheit und Arbeitsunfähigkeit. Rentner, die einfach nicht mit ihrer Minirente auskommen. 90 Prozent der Leute, die bei uns Hilfe suchen, sind unschuldig an ihrer finanziellen Misere", stellt Heinrich klar.
Der sächsische Doppelhalt 2023/2024 hatte noch Zuschüsse von jeweils über vier Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt (ein Anstieg zum Vorjahr 2022 um mehr als eine Million Euro).
Doch nun sollen Schuldnerberatungen für die nächsten zwei Jahre mit rund zwei Millionen pro Jahr auskommen: "Die geplanten Kürzungen von 15 Prozent im Jahr 2025 und weiteren 35 Prozent im Jahr 2026 bedeuten fast eine Halbierung der Mittel", lautet der bittere Ausblick von AWO-Sprecherin Ulrike Novy.
Perfide Logik - Ein Kommentar von Jakob Anders

Sachsen kürzt unsere Schuldenberater weg. Dabei verbinden sie zwei ungleiche Kräfte: auf der einen Seite die Gläubiger, die zu Recht nie aufhören werden, ihr Geld zu fordern.
Auf der anderen Seite normale Bürger, Familien und private Haushalte, die ohne Hilfe und auf legalem Wege nie wieder aus ihren Schulden herauskommen. In der Mitte die Gelenkstelle, die kostenlose Schuldnerberatung.
Wird diese Gelenkstelle schwächer, wird die Reibung zwischen den zwei ungleichen Kräften logischerweise größer, bis sie letztlich ungepuffert aufeinanderprallen. Bei dieser Kollision zwischen Schuldner und Gläubiger kann es keinen Gewinner geben.
Denn selbst wenn eine Bank nicht in Tränen ausbrechen, keinen Ausweg mehr finden, verzweifeln und sich erhängen kann. Sie kann doch Verluste machen.
Die Schuldnerberatung hilft dabei beiden Seiten: Sie spielt eine zentrale Rolle für die Gläubiger, indem sie langfristige Kosten für Gesellschaft und Staat vermeidet und damit einspart. Sie spielt eine wichtige Rolle für die Privatperson, indem sie zumindest ein Existenzminimum wahrt, einen Ausweg aus der finanziellen Katastrophe in Aussicht stellt, den systemischen Armutsopfern unserer Gesellschaft das völlige Abdriften in die emotionale Isolation erspart.
Der aktuelle Haushaltsplan spart also am Sparen. Das ist die Definition einer perfiden Logik.
Titelfoto: Steffen Füssel