Charly Hübners "Krieg und Frieden" am Theater Magdeburg: Was kann der 4-Stunden-Koloss?
Magdeburg - Am Freitagabend feierte "Krieg und Frieden" Premiere am Theater Magdeburg. Damit gibt "Polizeiruf"-Star Charly Hübner (52) sein Theaterregie-Debüt.
Alles in Kürze
- Charly Hübner gibt sein Theaterregie-Debüt mit "Krieg und Frieden"
- Das Stück handelt von den Napoleonischen Kriegen und deren Auswirkungen
- Die Inszenierung ist ein 4-Stunden-Koloss mit komödiantischem Feuerwerk
- Das Schauspielensemble überzeugt mit Kraft, Überzeugung und Durchhaltevermögen
- Das Stück ist trotz Längen ein Muss für Theaterfans aufgrund der Ensemble-Leistung

"Krieg und Frieden", im Original von Lew Tolstoi, handelt von den Napoleonischen Kriegen und deren Auswirkungen auf Russland, konkret auf die wohlhabende Familie Rostow und den Fürst Bolkonski.
In der Überarbeitung von Roland Schimmelpfennig und mit Texten von Magdeburgs Schauspieldirektor Bastian Lomsché und Regisseur Charly Hübner wird aus der Geschichte eher eine allgemeine Auseinandersetzung mit Krieg und seinen, besonders persönlichen, Folgen.
Hübner gibt mit "Krieg und Frieden" sein Theaterregiedebüt - und legt mit dem über vierstündigen Stück einen ordentlichen Koloss vor.
Mit zwei losgelösten Szenen am Anfang und Ende des Stücks - eine Familienfeier in Magdeburg in 2025, die irgendwann richtig eskaliert - schlagen Lomsché und Hübner einen gelungenen Bogen, um das Schauspiel erschreckend aktuell zu machen.
Premiere von "Krieg und Frieden": Tolle Show, tolle Schauspielerei, aber...

Der Stückbeginn ist ein komödiantisches Feuerwerk mit einem detaillierten Bühnenbild, der die Aufmerksamkeit des Zuschauers von der ersten Sekunde an einfängt.
Der 80. Geburtstag der Oma spitzt sich bis zum Mord zu und geht dann mit einem Knall - wortwörtlich - in die eigentliche "Krieg und Frieden"-Handlung in Russland im 19. Jahrhundert über.
In den folgenden 200 Minuten Spieldauer gelingt es dem Schauspielensemble bedeutsam und nachdrücklich den Text über die Bühne zu bringen.
Von Sprechchören über kraftvolle Monologe bis hin zu Echos aus dem Off wird mit allen Mitteln der Kunst der alte Stoff ganz neu verpackt. Es wird mit unzähligen Kostümen, einer wandelnden Bühne, Sound- und Lichteffekten gearbeitet. Neben der schwellenden und gelungenen Ernsthaftigkeit schafft die Inszenierung aber auch immer wieder herrlich komische und rührende Momente.
Das Stückende artet dann zu einem Rap-Konzert mit einem fabelhaften Gitarrensolo aus und ist sicherlich einer der Hauptgründe, warum beim Applaus einige Zuschauer begeistert aus den Sitzen hüpfen.

Ist "Krieg und Frieden" einen Besuch wert?

Besonders zu loben ist das zehnköpfige Schauspielensemble. Die schwierigen und facettenreichen Rollen werden mit Kraft, Überzeugung und vor allem ganz viel Durchhaltevermögen gespielt.
Dabei fordert Hübners Inszenierung für vier Stunden den vollen Körpereinsatz aller Anwesenden. Die Umschreibung dieses Tolstoi Klassikers unterstreicht den pazifistischen Ansatz, den schon das Original vertrat und singt, schreit, rappt: Frieden, Frieden, Frieden!
Bei einem Schauspiel mit einer derartigen Spieldauer läuft man immer Gefahr, dass durch eine eventuelle Langwierigkeit das Publikum gelangweilt auf die Uhren starrt. Hübners Idee schafft aber quasi im Minutentakt aufsehenerregende und beeindruckende Inszenierungsansätze, die den Zuschauer durch die gesamte emotionale Bandbreite jagt.
Fazit: "Krieg und Frieden" ist ein Koloss eines Schauspiels, mit dem sich das Theater Magdeburg einen würdigen Abschied in die Spielzeitpause erarbeitet hat. Zwar wird der ein oder andere sicherlich von den vier Stunden Spieldauer zunächst abgeschreckt, doch allein aufgrund der Aktualität des Stückes und einer fantastischen, einmaligen, kraftvollen Ensemble-Leistung sollte "Krieg und Frieden" eigentlich Pflichtprogramm sein. Es ist eine gewagte Inszenierung für ein gewagtes Thema, ja. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt - und das Theater Magdeburg ist hier ganz klar Sieger.
Weitere Vorstellungen findet Ihr auf dem Spielplan des Theaters.
Titelfoto: Theater Magdeburg/Kerstin Schomburg